20.12.2021

Aktuelles

Die Steuerpläne im Koalitionsvertrag

Keine zwei Monate nach der Bundestagswahl hatte es gedauert, bis die sog. Ampel-Koalition am 24. November 2021 den 178 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag vorstellen konnte. Sowohl Geschwindigkeit als auch Vertraulichkeit der Gespräche lassen auf einen neuen Politikstil schließen. Auf eine fundamentale und von der Wissenschaft immer wieder geforderte Steuerreform dürfte der angekündigte Wagemut für Fortschritt, wohl auch in Ermangelung des zuvor begrenzten Spielraumes, nicht hinauslaufen.

Bereits nach der Lektüre des Sondierungspapiers vom 15. Oktober 2021 waren keine großen Überraschungen mehr zu erwarten: Keine Neueinführung der Vermögensteuer, keine Erhöhung von Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer. Auch zu denkbarem Verschärfungspotential – bspw. Begünstigung von Unternehmensvermögen und großen Vermögensübertragungen in der Erbschaftsteuer – ist im Koalitionsvertrag nichts zu lesen.

Prägende Elemente künftiger Steuerpolitik werden weitere Verschärfungen gegenüber Steuerhinterziehung und Steuergestaltung sowie eine verstärkte Ausrichtung steuerlicher Handlungsfelder auf die Leitprojekte der Koalition – Klimaschutz, Digitalisierung und technologischer Wandel – sein. Spürbare steuerliche Entlastungen wird es nicht geben.

Die wohl wichtigsten, im Koalitionsvertrag enthaltenen Einzelmaßnahmen sind:

Alle Steuerzahler

• Vermeidung einer Doppelbesteuerung von Renten, insb. durch Vorziehen des Vollabzugs von Rentenversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben bereits ab 2023 und Steigerung des steuerpflichtigen Rentenanteils ab 2023 um einen halben Prozentpunkt (Vollbesteuerung ab 2060).

• Attraktivere Mitarbeiterkapitalbeteiligung, u. a. durch eine weitere Anhebung des Steuerfreibetrags.

• Anhebung des Sparerpauschbetrags auf 1.000 EUR bzw. 2.000 EUR bei Zusammenveranlagung.

• Verlängerung der Home-Office Pauschale bis zum 31.12.2022 (derzeit bis 31.12.2021).

• Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer ermöglichen, um den Erwerb selbst genutzten Wohneigentums zu erleichtern.

• Anhebung des steuerfreien Pflegebonus auf 3.000 EUR und Einführung eines Steuerbefreiung von Zuschlägen in Pflegeberufen.

• Schrittweise Einführung eines Zulagen- und Gutscheinsystems für haushaltsnahe Dienstleistungen und steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse.

• Erhöhung des Ausbildungsfreibetrags von 924 EUR auf 1.200 EUR.

• Kindergrundsicherung: 1. Komponente - einkommensunabhängiger Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist; 2. Komponente -  elterneinkommensabhängiger, gestaffelter Zusatzbetrag. Volljährige Anspruchsberechtigte erhalten die Leistung direkt.

Unternehmen und Hausbesitzer

• Schaffung einer Investitionsprämie für Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter, die den Steuerpflichtigen in den Jahren 2022 und 2023 ermöglicht, einen Anteil der Anschaffungs- und Herstellungskosten der im jeweiligen Jahr angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die in besonderer Weise diesen Zwecken dienen, vom steuerlichen Gewinn abzuziehen („Superabschreibung“).

• Verlängerung der erweiterten Verlustverrechnung bis Ende 2023 und Ausweitung des „Verlustvortrags“ (gemeint wohl „Rücktrag“) auf die unmittelbar vorangegangenen zwei Veranlagungszeiträume.

• Anhebung der linearen Abschreibung für den Neubau von Wohnungen von zwei auf drei Prozent.

Klima und Umwelt

• Überarbeitung der Dienstwagenbesteuerung: u.a. stärkere Ausrichtung der Besserstellung für Plug-In-Hybridfahrzeuge auf die rein elektrische Fahrleistung. Wegfall der Privilegierung, wenn Nutzung nicht überwiegend im elektrischen Fahrbetrieb (Rückfall auf 1%-Regel); Vorziehen der Erhöhung des Kriteriums der elektrischen Mindestreichweite auf 80km auf den 01.08.2023 (derzeit 01.01.2025); Für reine Elektrofahrzeuge (emissionsfrei) ab 2025 Anwendung eines Pauschalsteuersatzes von 0,5 %. Analoge Anwendung auf CO2-neutral betriebene Fahrzeuge (gemeint ist womöglich die Verbrennung von CO2-neutralen Kraftstoffen).

• Beendigung der EEG-Umlagen-Finanzierung über Strompreis und Übernahme in den Haushalt zum 01.01.2023.

• Festhalten am bisherigen BEHG-Preispfad (CO2-Bepreisung). Vorschlag zur Ausgestaltung der Marktphase nach 2026.

• Zusätzliche Haushaltspielräume durch Abbau überflüssiger, unwirksamer und umwelt- und klimaschädlicher Subventionen und Ausgaben: Überprüfung der steuerlichen Behandlung von Dieselfahrzeugen in der Kfz-Steuer im Zuge der Umsetzung der EU-Energiesteuerrichtlinie, die u.a. die steuerliche Angleichung von Dieselkraftstoff und Benzin (bezogen auf den Heizwert) vorsieht;

• Entwicklung eines sozialen Kompensationsmechanismus‘ über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus (Klimageld)

• Einsatz für europaweite Einführung einer Luftverkehrsabgabe bis zur Entscheidung über eine europäische Kerosinsteuer

Bekämpfung Steuerhinterziehung und Steuervermeidung

• Angemessene Besteuerung von aus Deutschland abfließenden Einkommen: Ausweitung der Quellenbesteuerung insb. durch Anpassung von DBA.

• „schnellstmögliche“ Einführung eines bundesweit einheitlichen elektronischen Meldesystems für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen zur Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug (sog. e-Invoicing).

• Ausweitung der Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen auf nationale Steuergestaltungen für Unternehmen mit einem Umsatz von >10 Mio. EUR.

• Stärkung von BaFin, BZSt, FIU und Zoll.

• Aktiver Einsatz für Einführung der globalen Mindestbesteuerung, endgültiges Mehrwertsteuersystem auf EU-Ebene
(z. B. Reverse-Charge, Ausweitung des Informationsaustausches, ständige Aktualisierung der Steueroasenliste der EU.

Digitalisierung

• Modernisierung und Beschleunigung der Steuerprüfung sowie Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens, insbesondere durch Einsatz für verbesserte Schnittstellen, Standardisierung und den sinnvollen Einsatz neuer Technologien.

• Vorausgefüllte Steuererklärung (Easy Tax).

• Schaffung einer zentralen Organisierungseinheit auf Bundesebene für Digitalisierung und Verringerung der Steuerbürokratie.